Großprojekt bringt grünen Strom für 4 Millionen Menschen
Balwin1 und Balwin2 sind zwei von vier Netzanbindungssystemen des Übertragungsnetzbetreibers Amprion, die von Windparks in der Nordsee über zwei Konverterplattformen unter der ostfriesischen Insel Norderney bis zum Festland in Hilgenriedersiel verlaufen. Jedes System besteht aus drei parallelen Gleichstromkabeln und hat eine Übertragungskapazität von 2.000 Megawatt, also zusammen 4.000 Megawatt – genug Strom für etwa vier Millionen Menschen. Die grabenlosen Trassenabschnitte auf der Insel werden von LMR Drilling zusammen mit ihren Schwesterfirmen TAGU und TRNW aus der Ludwig Freytag Gruppe gebaut. Insgesamt sind 18 Horizontalbohrungen erforderlich, um die Schutzrohre zu verlegen, in die später die Seekabel eingezogen werden. Die Bauarbeiten erfolgen in drei Phasen: Im Sommer 2025 werden sechs Bohrungen von der Inselmitte ins südliche Watt Richtung Festland gemacht, 2026 wird von dort nach Nordstrand in Richtung der Offshore-Konverterplattformen gebohrt und 2027 wird der Festlanddeich in Hilgenriedersiel unterquert. Da der sandige Boden im Startbereich der HDD-Bohrungen sehr instabil ist, werden mit dem GRUNDORAM TAURUS an den Eintrittspunkten der Bohrungen sog. Casing-Rohre zur Führung in die bohrbaren Schichten eingerammt.
Alles an diesem Bauprojekt ist groß: Die Baustelle „Am Leuchtturm“ auf Norderney hat eine Arbeitsfläche von 14.000 m² und zusätzlich 8.000 m² Lagerfläche. Sie wird von einer 257 Meter langen und zehn Meter hohen Lärmschutzwand umgeben. Für den Transport von Material und Geräten sind neben Staplern und Baggern zwei Schwerlastkräne im Einsatz. Die eingesetzten HDD-Großbohranlagen verfügen über eine Schub- und Zugkraft von 250 bzw. 450 Tonnen. Die Bohrungen von Norderney aus haben eine Länge von 1.010 Metern in südlicher Richtung und 1.140 Metern in nördlicher Richtung. Für das Anmischen und Lagern der Bohrspülung stehen auf der Baustelle sieben Wassertanks mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 850 Litern bereit. Für die Rohrverlegung und die Materialbeförderung vom südlichen Watt aus sind dort zwei riesige Plattformen, sogenannte Pontons, eingeschwommen und verankert. Die Casing-Rohre, durch die die HDD-Bohrungen landseitig starten, haben einen Durchmesser von 800 mm und sind jeweils 24 Meter lang. Bei diesen Dimensionen wirkt die TAURUS-Ramme von TRACTO mit einer Länge von fast 4 Metern und einem Gewicht von 4.800 Kilogramm beinahe klein.
Taurus gibt HDD-Bohrungen Starthilfe
Die gängigste Anwendung von druckluftbetriebenen Rammen ist die horizontale Verlegung von Stahlrohren als Medien- oder Schutzrohre im Pipelinebau. Beim dynamischem Vortrieb wird die Schlagenergie direkt auf das Stahlrohr übertragen und das Erdreich im vorne offenen Rohr aufgenommen, sodass Hindernisse nicht im Ganzen verdrängt oder vor der Ramme hergeschoben werden müssen. Deshalb ist der dynamische Rohrvortrieb trotz seiner immensen Schlagkräfte so erschütterungsarm, dass er auch in sensiblen Umgebungen eingesetzt werden kann.
Die Schlagenergie der Rammen hilft aber auch, komplizierte HDD-Bohrungen erfolgreich abzuschließen: Mit diesen sog. HDD-Assist & Rescue Verfahren kann man beispielweise den Rohreinzug mit dynamischer Schlagkraft unterstützen, festsitzende Bohrgestänge lösen oder, wie hier auf Norderney, Casing-Rohre für HDD-Bohrungen einrammen – Fachbegriff ‚Conductor Barrel‘. Der dynamische Rohrvortrieb funktioniert zuverlässig und zielgenau, weil die Ramme direkt mit dem vorzutreibenden Stahlrohr schubfest verbunden und axial dahinter ausgerichtet ist. Die Verlegegenauigkeit ist auch der entscheidende Faktor beim Einsatz des TAURUS auf Norderney: „Es ist sehr wichtig, dass die Casings genau eingebaut werden, damit die Bohrungen ordnungsgemäß ausgeführt werden können“ erklärt LMR-Projektleiter Jorn Stoelinga.
Weil LMR die Rammarbeiten bei diesem Projekt zum ersten Mal selbst mit dem eigens erworbenen TAURUS ausführt, hat TRACTO zwei Spezialisten auf die Baustelle entsandt, die den Beginn der Arbeiten im Juli 2025 begleiten und die Kollegen von LMR in die Details einweisen sollen.
Arbeiten im Bauzeitfenster mit minimalem Eingriff
Die Dünen- und Wattlandschaft von Norderney ist Teil des ‚Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer‘. Zum Schutz dieses hochsensiblen Ökosystems dürfen die Bauarbeiten im Sommer 2025 nur von Juli bis September stattfinden. „Hier kommen besonders geschützte Vogelarten vor, die im Frühjahr brüten. Und ab September besteht die Gefahr von Sturmfluten.“, erläutert Henning Gründemann, der die Baumaßnahme als Projektleiter der Amprion Offshore GmbH begleitet. Die Bauarbeiten selbst unterliegen strengen Auflagen und einer ‚naturschutzfachlichen Baubegleitung‘: „Um Natur und Umwelt so gut wie möglich zu schützen, gelten besondere Maßnahmen. Allen voran das Nulleinleitungsprinzip. Es besagt, dass keinerlei Stoffe von der Baustelle in die Umwelt gelangen dürfen.“, sagt Gründemann und erklärt weiter: „Die grabenlose Bauweise entspricht dem Minimierungsprinzip. „Wir haben uns hier für das HDD-Verfahren entschieden, weil es mit seinen wenigen Baubereichen die Umweltauswirkungen auf ein Minimum reduziert.“
Norderney ist zudem eine beliebte Ferieninsel, die in der Hochsaison sehr stark frequentiert wird. Auch die Campingplätze in den Dünen, von denen einige an die Baustelle ‚Am Leuchtturm‘ angrenzen, sind ausgebucht.
Um die Urlaubsgäste nicht mehr als nötig zu stören, wurde nicht nur die Lärmschutzwand gebaut, sondern auch vereinbart, dass die Rammarbeiten nur von 8:30 bis 13:00 Uhr und von 14:00 bis 19:00 Uhr stattfinden. Das Einschlagen der Stahlrohre bei voller Schubleistung ist nämlich nicht besonders leise. Wie alle Abläufe bei diesem Projekt waren auch die Rammungen genau getaktet. Dafür standen sechs Tage im Juli zur Verfügung, also ein Tag pro Casing. Das Team von LMR hatte die komplexen Vorbereitungen souverän im Griff, sodass am 22. Juli wie geplant mit dem Einbau der Stahlrohre Richtung südliches Watt begonnen wurde.
Die 24 m langen Stahlrohr-Casings bestehen aus je zwei 12 m Segmenten, die jeweils im Arbeitsverlauf zusammengeschweißt wurden. Um dem Verlauf der HDD-Bohrungen genau zu entsprechen, mussten sie in einem Neigungswinkel von exakt 14 Grad und in der Sollrichtung der Bohrungen eingeschlagen werden. Als Startrampe hatte LMR eigens eine mobile, 6 m hohe Konstruktion aus Stahlträgern gebaut. Darauf wurde mithilfe eines Schwerlastkrans zuerst ein Rohrsegment in die Führungsschienen gelegt, dann die Taurus-Ramme dahinter positioniert und nach Anweisung der Geräteführer zentimetergenau ausgerichtet. Anschließend wurden sog. Schlagsemente in die Öffnung des Stahlrohrs montiert und die Ramme schub- und zugfest damit verbunden. Nachdem das erste 12 m Segment sukzessive Schlag für Schlag mit teils voller Schubleistung tief genug eingerammt war, wurde die Ramme gelöst, das zweite Segment angeschweißt, mit dem erneut in Position gebrachten TAURUS verbunden und bis zur bohrbaren Bodenschicht vorgetrieben.
Starke Leistung von einem Casing pro Tag
Dieses Prozedere nahm einen Arbeitstag in Anspruch und wiederholte sich an den darauffolgenden Tagen ohne Probleme. Der TAURUS konnte seine Schubkraft von bis zu 18.600 Joule verlustfrei auf das Stahlrohr übertragen, das Team hatte alle Abläufe souverän im Griff. „Durch die Einweisung der Spezialisten von TRACTO konnten unsere Mitarbeiter sehr schnell mit der Rammtechnik vertraut werden“ sagt Jorn Stoelinga. Das bestätigt auch Felix Buntkiel, der bei LMR die Rammarbeiten zukünftig betreuen wird. “Die Firma TRACTO hat uns bei diesem Ersteinsatz super unterstützt.“ Anders als bei gewöhnlich bei Rammungen müssen die Casingrohre auf Norderney nicht extra entleert werden. Das noch im Rohr verbleibende Erdreich wird im normalen HDD-Prozedere durch die Bohrspülung hinausbefördert. Auch das hat dazu beigetragen, dass ein Casing pro Tag inklusive aller Nebenarbeiten eingebaut werden konnte. Der eigentliche Rammvorgang dauerte dabei nur jeweils drei Stunden. Somit war die Lärmbelästigung für die Urlauber viel geringer als die Zeitfenster es zuließen.
Aufgrund des engen Zeitplans begann das Team von LMR bereits während des Einbaus des dritten Casings mit dem Aufbau der beiden HDD-Großbohranlagen. Nachdem die Pilotbohrungen durch diese entlang der vorgegebenen Kabeltrassen erstellt sind, werden die Stahlrohre herausgezogen und die Kabelschutzrohre vom südlichen Watt aus in den Bohrkanal eingezogen. Sie werden im nächsten Jahr wiederverwendet, um die Casings für die Verlegung der Kabelschutzrohre in nördliche Richtung einzubauen. Anschließend werden die beiden Schutzrohrstränge an den Bohreintrittspunkten mit Muffen verbunden und die Stromkabel eingezogen. Über die Muffengruben sind die Leitungen dauerhaft zugänglich. Die Inbetriebnahme der Netzanbindungssysteme wird 2030 (BalWin1) und 2031 (BalWin2) erfolgen – ein bzw. zwei Jahre früher als geplant. Grabenlose Technik macht’s möglich.
Ausbau der Offshore-Windenergie – Potenzial für den Leitungsbau:
Der Umstieg auf „grünen“ Strom ist ein Schlüssel zur Energiewende. Deshalb schreibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 vor, dass bis 2030 insgesamt 80 Prozent des in Deutschland produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen sollen. Im ersten Halbjahr 2025 wurden bereits 61 Prozent1 des Strommixes nachhaltig produziert, wozu die Windkraft als wichtigste Einzelquelle mit einem Netto-Anteil von 28,3 Prozent1 beiträgt. Allerdings stammen nur 5,6 Prozent1 dieser Windenergie von Offshore-Anlagen. Um die Klimaziele zu erreichen, sieht der Gesetzgeber eine deutliche Erhöhung der Ausbauziele für Windenergie2 vor der Küste vor: von aktuell 8 Gigawatt (GW) auf mindestens 30 GW bis 2030 und auf mindestens 70 GW bis 2045. Das bedeutet eine Steigerung von rund 375 % bis 2030 und 875 % bis 2045. Damit die produzierten Strommengen ins Netz gelangen, müssen sowohl neue Offshore-Netzanbindungssysteme wie BalWin1 und BAlWin2 gebaut als auch die Verteilnetze an Land ausgebaut werden. Für Leitungsbauunternehmen birgt das ein großes Auftragspotenzial – vor allem, wenn sie die nachhaltige Umsetzung mit grabenloser Technologie anbieten können.
Quellen: 1 Fraunhofer ISE 2025, 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE)
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TRACTO ist Mitbegründer, Gestalter und Innovator der grabenlosen Technologie. Das Unternehmen mit Stammsitz in Lennestadt-Saalhausen entwickelt, produziert und vertreibt Maschinen und Zubehör für die grabenlose Verlegung und Erneuerung von Rohrleitungen. Diese ressourcenschonende und nachhaltige NO-DIG-Technik findet Anwendung beim Bau von Leitungs-Infrastrukturen für Wasser, Gas, Strom, Telekommunikation, E-Mobilität und Fernwärme, bei der Glasfaservernetzung, im Pipelinebau sowie in der Abwasserentsorgung. Die Kunden für diese innovativen Systeme kommen hauptsächlich aus dem Bereich Tiefbau und Spezialtiefbau, aber auch Versorger und Netzbetreiber zählen dazu. Seit der Gründung im Jahr 1962 hat TRACTO zahlreiche bahnbrechende grabenlose Lösungen entwickelt und ist heute der weltweit einzige Vollanbieter für grabenlose Technologie. Das Unternehmen mit Repräsentanzen in ganz Deutschland und Schwesterfirmen in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Australien und den USA hat weltweit 850 Mitarbeiter, davon rund 600 in Deutschland.
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