„Ich finde es cool, aus etwas Altem und Kaputtem etwas richtig Schönes zu machen“

Der Startschuss fiel keine Minute zu früh: In der Hunsrückgemeinde Herrstein läuft derzeit die Rettung des historischen Ortskerns. Vom Malermeister bis zum Auszubildenden ist das Mammutprojekt für alle Beteiligten eine einmalige Aufgabe. Mit Histolith-Produkten von Caparol restaurieren sie die Gebäude in der Denkmalschutzzone fachmännisch und mit viel Liebe zum Detail.

Mehr Mittelalter-Feeling geht kaum: Im kleinen Ort Herrstein im Hunsrück schmiegen sich Fachwerkhäuser malerisch aneinander, staunende Touristinnen und Touristen wandern durch enge Gässchen und über kopfsteingepflasterte Plätze – und über allem thront die alte Burg Herrstein mit ihrem beeindruckenden Bergfried. Doch so idyllisch das historische Ensemble heute auch wirkt: Noch vor wenigen Jahren bröckelte und blätterte es in Herrstein an allen Ecken und Enden.

„Den damaligen Zustand der Fachwerkhäuser in Herrstein würde ich als ‚von-bis‘ bezeichnen", erzählt Malermeister Ingo Nolde vom Malergeschäft Schüller GmbH. „Einige Gebäude brauchten einfach einen Überholungsanstrich. Bei anderen mussten wir ganze Gefache erneuern. Auch Feuchtigkeit war ein großes Thema." Seit April 2021 arbeitet Nolde mit seinem Team von Malerinnen und Malern an der Rettung von insgesamt 31 historischen Gebäuden in der Hunsrückgemeinde. Eine echte Mammutaufgabe. Um das Mega-Projekt zu stemmen, hat die Firma Schüller mit der Pfeiffer KG deshalb auch einen Nachunternehmer zur Unterstützung ins Boot geholt, die Betriebe teilen sich die Arbeiten auf. Voraussichtlich im Spätsommer 2023 wird die Rettung des historischen Ortskerns abgeschlossen sein.

Vorsicht: denkmalgeschützte Zone!

Umgesetzt wurden die Arbeiten mit den Produkten der Histolith-Serie von Caparol. Histolith ist ein Komplettsystem für die Renovierung und Restaurierung von Fachwerkgebäuden und bietet von Leinölfarben über Kalkputze bis hin zu Innen- und Außenfarben alles, was für eine fachmännische Restaurierung von solchen historischen Häusern gebraucht wird.

„Der Ortskern von Herrstein ist eine denkmalgeschützte Zone, weswegen unser mineralisches Histolith-Produktportfolio die richtige Wahl war", erläutert Walter Schimmel, der das Projekt für Caparol betreut. „Die Produkte müssen natürlich auf der einen Seite die Bausubstanz erhalten und schützen. Auf der anderen Seite sollen sie aber auch den heutigen Standards in der Verarbeitung entsprechen. Diesen Spagat schaffen wir mit Histolith." Circa 6.000 Quadratmeter Fassadenfläche und etwa 4.000 Quadratmeter Holzwerk werden bis Ende des Projekts mit Caparol-Produkten bearbeitet worden sein.

Als Azubi direkt ins Mammutprojekt

Mit auf der Baustelle ist immer wieder auch Paul Nolde, der bei der Firma Schüller seit August 2021 seine Ausbildung zum Maler macht. Zu Beginn seiner Ausbildung hat er in Herrstein vor allem Schleif- oder Abbrucharbeiten übernommen, inzwischen übt er sich immer stärker aber auch in Facharbeiter-Aufgaben: Gefache streichen, Holz lasieren und so weiter. „Wir machen mit der Firma viele Altbauten, aber in Herrstein kann ich das noch mal richtig vertiefen", erzählt er aus seinem Azubi-Alltag. „Was mir hier zum Beispiel richtig Spaß macht, sind die filigranen Malerarbeiten, wenn ich zum Beispiel die feinen Linien an den Fachwerkgestellen entlangziehe." Das macht Nolde – verständlicherweise – mehr Spaß als etwa irgendwo alte Tapeten abzuziehen.

Beeindruckt hat ihn auch die Freilegung des Fachwerks an einem Haus, das in den Sechzigerjahren komplett mit Putz überzogen worden war. Überhaupt ist der Azubi Feuer und Flamme für seine Berufswahl: „Ich wollte nach dem Schulabschluss gleich etwas Produktives machen, am Ende des Tages das Ergebnis meiner Arbeit sehen. Ich finde es cool, aus etwas Altem und Kaputtem etwas richtig Schönes zu machen."

Rettungsaktion kam keine Minute zu früh

Und kaputt war in Herrstein tatsächlich einiges. Während der Arbeiten seien immer wieder Schäden zutage getreten, die in der Planungsphase noch gar nicht sichtbar waren, erzählt die verantwortliche Architektin Heidi Ritter. „Während der Reinigung alter Balken fiel auf, dass bei früheren Sanierungsarbeiten die Holzrisse mit falschen Materialien ausgespritzt wurden. Das mangelhafte Material hat dann im Laufe der Jahre die Feuchtigkeit angezogen und das Gebälk zerstört. Eines der Gebäude war fast einsturzgefährdet. Insofern kam die Initiative zur Rettung dieser Gebäude keine Minute zu früh."

Angestoßen hat das Projekt Wolfgang Hey, ehemaliger Bürgermeister von Herrstein und Landrat a.D. des Kreises Birkenfeld. Schon Mitte der 1970er hatte er ein umfangreiches Restaurierungsprojekt in Herrstein initiiert – nun war es erneut an der Zeit, aktiv zu werden. Hey machte Nägel mit Köpfen: Mit Freunden gründete er den „Förderverein Historischer Ortskern Herrstein" und holte die Ortsgemeinde mit ins Boot. Als Organisator übernahm er das gesamte Management des Projekts, kümmerte sich um Verhandlungen mit Hauseigentümern, bei ihm liefen die Fäden zur Zuschussbeschaffung und Finanzierung zusammen, die Absprechen mit Denkmalpflege, Gemeinde und so weiter.

Architektin Ritter stieg mit in das Projekt ein, erstellte gemeinsam mit Caparol-Berater Walter Schimmel ein riesiges Leistungsverzeichnis. Mehr als 100 Seiten stark war das Dokument am Ende. Mit ihrer Kostenschätzung schaffte sie trotz vieler Unwägbarkeiten in solch einem Großprojekt eine Punktlandung. Finanziert wird das Projekt teils durch das LEADER-Programm von EU und Rheinland-Pfalz zur Förderung ländlicher Regionen, teils durch die Ortsgemeinde selbst sowie durch Spenden.

Der Ortskern glänzt, die Einwohnerschaft freut sich

Schon vor Abschluss der Arbeiten wird deutlich, wie sehr der Ortskern Herrsteins von der aufwändigen Rettungsaktion profitiert. „Die Gebäude leuchten und glänzen wieder, ohne dass der historische Ortskern plötzlich völlig auf links gedreht wirkt", freut sich Architektin Ritter – und Malermeister Nolde ergänzt: „Die Herrsteinerinnen und Herrsteiner reagieren sehr positiv, das bekommen wir vor Ort immer wieder mit. Alle sind begeistert, wie sich das Ortsbild zum Positiven verändert. Das ist ein ganz besonderes Projekt für alle Beteiligten."

Interviewbox: Drei Fragen an Wolfgang Hey, Landrat a.D., Initiator und Organisator des Projekts

„Der historische Ortskern ist Herrsteins Wahrzeichen und ein Besuchermagnet“

Wolfgang Hey, ehemaliger Bürgermeister von Herrstein und Landrat a.D. des Kreises Birkenfeld, engagiert sich seit Jahrzehnten für den Erhalt des historischen Ortskerns von Herrstein.

Herr Hey, Sie haben bereits Mitte der 1970er ein großes Restaurierungsprojekt in Herrstein angestoßen. Worum ging es damals genau?

Wolfgang Hey: Wir haben in Herrstein ein einmaliges, historisches Idyll, an dem die Moderne jedoch nicht spurlos vorübergegangen ist: Ende des 19. Jahrhunderts wurden bereits Fachwerkhäuser verputzt, ab den 1950ern verschwanden fast alle Fachwerkfassaden hinter Asbestzement- oder Plastikverkleidungen. Bis in die 1970er Jahre war der Ortskern durch solche Eingriffe stark verfremdet. Ich wollte dem baugeschichtlichen Ensemble sein Gesicht wieder geben und begann, dafür zu werben, auch als touristisches Projekt. Die Finanzierungs- und Umsetzungssituation war nicht einfach – damals war Modernität das Leitmotiv von Denken und Handeln. Trotzdem konnten zwischen 1975 und 1985 mehr als 50 Gebäude restauriert werden.

Und nun waren erneut Restaurationsarbeiten nötig?

Wolfgang Hey: Ja, es hatte ein schleichender Verfall begonnen. Zwar kümmert sich das Gros der Eigentümerinnen und Eigentümer engagiert um die Häuser. Aber dem einen fehlt vielleicht das nötige Kleingeld, die andere hat mit zunehmendem Alter nicht mehr die nötige Kraft für die bauliche Pflege eines Fachwerkhauses. So waren nach 2010 zunehmend Schäden an den Fassaden zu erkennen, die teils sogar die Standfestigkeit angriffen. Deshalb habe ich die Initiative gegriffen, 2019 mit einigen Freunden den „Förderverein Historischer Ortskern Herrstein“ gegründet und die Ortsgemeinde involviert.

Inzwischen ist der größte Teil der Restaurationsarbeiten geschafft, 2023 werden alle 31 Fachwerkhäuser in neuem Glanz strahlen. Wie blicken Sie heute auf das Projekt?  

Wolfgang Hey: Ich bin fast täglich in Herrstein unterwegs und sehe mit großer Freude, wie die Arbeiten voranschreiten. Der historische Ortskern ist das Wahrzeichen von Herrstein und der Stolz seiner Bürgerinnen und Bürger. Zudem ist er ein Besuchermagnet für den regionalen Tourismus. Es freut mich, dass wir jetzt die Voraussetzung dafür schaffen, dass das für viele weitere Jahre so bleiben kann.

Herr Hey, vielen Dank für das Gespräch!

Bautafel: 

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