Neuer Google-Versuch zum Abschluss von ENP-Verträgen: Massenhafte Einholung von Rechten zu Dumpingpreisen

 

  • Google versucht mit einer weiteren Konstruktion, Presseverlegern ihr Leistungsschutzrecht für missbräuchlich geringe Summen abzunehmen. Dass Google dafür die Preise selbst festlegt, soll niemand merken.
  • Durch keine oder mißbräuchlich geringe Vergütungen verlieren vor allem auch Journalisten ihre gesetzlich festgelegte, angemessene 1/3-Beteiligung. 

Google hat einen weiteren Versuch gestartet, den Verlagen in Deutschland und Europa massenhaft Presseleistungsschutzrechte für missbräuchlich geringe Zahlungen abzunehmen. Dazu werden von Google ausgewählte Verleger derzeit angeschrieben und gebeten, in einem Online-Tool Verträge für die Nutzung des Presseleistungsschutzrechts durch Google abzuschließen. Diese sogenannten „Extended News Previews Agreements“ sind mit extrem niedrigen Vergütungen bepreist, gewähren Google jedoch eine umfassende Rechteeinräumung, die eine weitere Lizenzierung des Presseleistungsschutzrechts zu Gunsten der Presseverleger und ihrer Journalisten ausschließt. Die Berechnung, die den Vergütungen für die ENP-Verträge zugrunde liegt, ist Corint Media bekannt. Sie ist erkennbar missbräuchlich und spiegelt in keiner Weise die nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz notwendigen Beteiligungen der Rechteinhaber an den „geldwerten Vorteilen“ des Nutzers Google. Statt diese tatsächlichen geldwerten Vorteile, die Google durch die Nutzung von Presseinhalten erhält, zugrunde zu legen, will Google nur einen einstelligen Prozentsatz, bezogen auf künstlich kleingerechnete Umsätze, die es mit der direkten Anzeige von Presseinhalten verdient, an die Verlage weiterreichen. Die dafür genutzten Daten will Google sicherheitshalber „selbst zur Verfügung stellen“. Als marktbeherrschendes Unternehmen die Preise für die Nutzung eines zentralen Rohstoffs – hier der Nutzungsrechte der Presseverleger und Journalisten – selbst festzulegen, scheint weit entfernt vom für alle geltenden Recht.

Das Bundeskartellamt hatte Google und seinen Mutterkonzern Alphabet Ende vergangenen Jahres als Unternehmen mit einer „überragenden marktübergreifenden Bedeutung“ klassifiziert und damit unter die Aufsicht des neuen § 19a GWB gestellt, der ein effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne sicherstellen soll. Zudem führt das Bundeskartellamt unter anderem wegen des Vorwurfs der Selbstbevorzugung derzeit eine Untersuchung zu Googles Umgang mit dem deutschen Presseleistungsschutzrecht.  

Die Summe der Zahlungen, die unter mehreren Tausend Rechteinhabern im Rahmen von ENP ausgeschüttet werden soll, schätzt Corint Media auf rund 10 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im australischen Markt, der rund ein Drittel der Größe des deutschen Markts ausmacht, hatte Google aufgrund schärferer gesetzlicher Regeln bis zu 100 Millionen Euro an Verlage gezahlt. Der jetzige Vorstoß, Verlagen einzelne ENP-Verträge anzubieten, zeigt die Missbräuchlichkeit Googles. Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit bereits einer Reihe von ausgewählten Verlagen höher dotierte Verträge für sogenannte „Google News Showcases“ angeboten und zusätzlich dazu die sogenannten „ENP“-Verträge vorgeschoben. Der gemeinsame Abschluss dieser Verträge war für manche Verlage vermeintlich attraktiv, obwohl die Zahlungen hierfür deutlich unter dem Wert des Presseleistungsschutzrechts liegen. Nun scheint Google daran interessiert zu sein, dem Rest aller Verleger, einer wohl aus Sicht des Unternehmens nachrangigen Gruppe sicherheitshalber „ENP-Verträge“ anzubieten, deren Höhe zwischen 10 und 15 Prozent der Vergütungen für Google News Showcase ausmachen soll. Verlage, die sich weigern, im Rahmen dieses Vorgehens ENP-Verträge abzuschließen, will Google auch ohne Lizenzabschluss unverändert anzeigen, wenngleich dann ohne jede vertragliche Grundlage, obwohl Google weiterhin rechtswidrig nutzt.

Mit diesem Vorgehen versucht Google einerseits, den Wert des Presseleistungsschutzrechts über mit möglichst allen Verlagen abzuschließenden ENP-Verträgen in Europa minimal zu halten und Rechtssicherheit zu erlangen. Zugleich läuft damit auch die gesetzlich verankerte Regelung, dass Journalisten mit einem Drittel der Erlöse aus dem Presseleistungsschutzrecht zu beteiligen sind, ins Leere.

Markus Runde und Christoph Schwennicke, Geschäftsführer Corint Media: „Die geplante massenhafte und schnelle Einholung von Lizenzen zu Dumping-Preisen ist eine weitere Eskalationsstufe, die nun im Streit zwischen den Digitalplattformen und den Presseverlegern von Google gezündet wurde. Statt für die Nutzung von Presseinhalten eine angemessene Vergütung mit den Verwertungsgesellschaften und Einzelverlagen zu einheitlichen Preisen und Konditionen auszuhandeln, versucht Google wiederum, einen allein festgelegten, marktmissbräuchlich geringen Preis für die Rechte der Verleger festzusetzen. Das ist im Urheberrecht und in der Marktwirtschaft, im Rechtsstaat mit seinem Gleichbehandlungsversprechen ein einmaliger Vorgang: Ein Unternehmen mit 93% Marktanteil entscheidet im Alleingang und unreguliert, ob und wie viel es dem Anbieter von Inhalten zahlt. Das ist, als würde ein Automobilhersteller mit Monopolstellung bestimmen wollen, dass er für Getriebe ab jetzt nur noch drei Euro zahlt. Und falls sich der Zulieferer weigert, werden die Getriebe dennoch ohne Zustimmung jede Nacht vom Hof des Getriebeherstellers geholt. Das Marktversagen, das im Verhältnis der Inhalteanbieter zu den Digital-Plattformen schon lange besteht, wird – sollte das extra geschaffene Urheber- wie auch das Kartellrecht nun nicht angewandt werden – schnell zum Staatsversagen. Wir können Presseverleger nur davor warnen, sich Rechte an ihren Inhalten, dem Herzstück ihres Geschäfts, für Glasperlen abkaufen zu lassen.“ 

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